DER MANN UND DIE GELIEBTE

16.Jun 2024

Die Kunst des Zuhörens will gelernt sein, sich selbst zurücknehmen, den anderen für wichtiger erklären, nicht vorschnell urteilen oder gar verurteilen. Ich habe dazu auch eine Weile gebraucht, bis ich mich einlassen konnten, mein Ego im Zaume halten. Nun ist es zu einer besonderen Gabe geworden, die mich bereichert und mir zu verstehen gibt, dass die Dinge nicht nur eine Seite haben, sondern mehrere.

Abb: Die Hafenkneipe, mein Lieblingsrestaurant unten am Hafen von Munkmarsch auf Sylt.

Letztens kontaktierte mich ein älterer Herr. Er würde eine Geliebte suchen, schrieb er mir. Bis es zu der Verabredung zwischen ihm und mir kam, konnte ich über dieses „unmoralische“ Ansinnen nachdenken. Stehe ich als Partnervermittlung für so etwas zur Verfügung? Hat er eine Ehefrau, die er damit betrügt und hintergeht? Wie sieht die Partnerin aus, die sich als „Geliebte“ zur Verfügung stellen will? Ich war kurz davor, den Termin abzusagen. Nein, bei Hammer&Herz geht es um echte Beziehungen. Aber dann fragte ich mich, was sind denn „echte“ Beziehungen, es gibt so viele Varianten von Herz und Verstand in der richtigen Balance.

Beim Essen schaue ich auf die Boote und mir kommen die Geschichten …

Es kam also zu dem Termin, nicht zuletzt, weil mich die Neugierde trieb: Wer ist dieser Mann, wie sieht er aus, was ist sein Hintergrund, und was will er wirklich? Mich begrüßte ein gutaussehender Herr Anfang siebzig, immer noch aktiv im Leben. Er ist über dreißig Jahre verheiratet, hat erwachsene Kinder, führt ein (beinahe) erfülltes Leben mit verschiedenen Wohnsitzen an den schönsten Orten. Alles gut, aber eben nur „beinahe“. Seine Frau würde sich nichts aus Sexualität machen, die Töchter sind reine „Zufalls-Produktionen“, der ehelichen Pflicht geschuldet. Lange hat er es nicht so sehen wollen. Es fiel ihm immer schwerer, dafür das Gespräch zu suchen und das damit verbundene Verständnis füreinander. Körperliche Nähe sei ihm wichtig, Sex hat eine Bedeutung. Nicht für seine Frau. Alles andere zwischen ihnen würde stimmen, man teilt ähnliche Vorlieben, ist sich ein wertvoller Gesprächspartner. Keineswegs möchte er sich trennen, aber so weiterzuleben, ist auch keine Option.

Das Essen ist schlicht und gut, z.B.  Scholle mit Speck und selbstgemachtem Kartoffelsalat und dazu ein guter Wein aus Südafrika

Plötzlich wird das Bild differenziert. Hier ist kein Mann, der betrügen will, sondern auf der Suche ist, seinen Lebensabend erfüllter zu gestalten. Ist so etwas verwerflich? Ich denke nein und höre ihm weiter zu. Er hätte sich schon einmal eine Geliebte gesucht, deutlich jünger war sie, obwohl das für ihn nicht von Bedeutung ist, aber geschmeichelt hat es ihm schon. Ein-, zweimal in der Woche traf man sich in einem Hotel. Wenn es eine Möglichkeit gab, unternahmen sie sogar einen Kurzausflug. Schön war es, erotisch. Sie haben viel gelacht im Bett, nebeneinander Arm in Arm. Er hatte das Gefühl, dass ein paar seiner heimlich aufgesparten Träume Wirklichkeit wurden. Auch sie war verheiratet. Ihr Mann fand es per Zufall heraus. Wie das so ist, ein Bekannter lief ihnen über den Weg, als sie in der Hotellobby saßen. Eins kam zum anderen, und sie hat daraufhin die Affäre beendet.

Wie friedlich so ein Abend am Hafen ist, mit den Booten, die tuckernd einlaufen

Ich schaue ihn an, diesen attraktiven intelligenten Mann. Ein Hauch von Verlust liegt in seinem Gesicht. Ich verstehe ihn. Wie gestaltet man das, gehen und bleiben, treu sein und sich leben in der Fülle? Wie kann man sich etwas zurückerobern, was mit lustvoller Jugendlichkeit zu tun hat, was der Partner oder die Partnerin nicht mehr teilen will oder nie teilen wollte?

Stefan serviert und ist immer gut für einen Scherz. Ich frag ihn mal, ob er noch frei ist …

Nach einer Weile habe ich ihm zugesagt. Ja, ich würde für ihn Ausschau halten nach einer Geliebten. Es ist kein unmoralisches Angebot. Dabei denke ich an eine Freundin, die sich nicht mehr binden möchte, die ihr unabhängiges Leben genießt, aber genau wie dieser Mann, der vor mir sitzt, die Sexualität und das zärtliche Berühren sowie die Freude von geteilten Nächten vermisst.

Was haltet Ihr davon? Schreibt mir gern. Eure Gaby.

Kommentare

  • […] Wie geht das, die Welt zu umarmen, sich selbst zu feiern und sich gar noch einmal zu verlieben? Was früher so leicht erschien, ist für die meisten mit der Zeit ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Im Blog von Gaby (Hammer&Herz) steht dazu eine neue Geschichte: Der Mann und die Geliebte. […]

  • Danke für das Teilhaben-Dürfen,
    sehr geehrte Frau Pochhammer.
    Meine Überlegung…
    bei allen anderen Dingen ist’s ok,
    gesellschaftlich anerkannt,
    wenn SIE mit Freundinnen ins Theater & Kunstausstellungen geht,
    ER mit Freunden zum Wandern, Skilaufen oder Segeln…
    Warum nicht DABEI… wenn’s keinen gemeinsamen Nenner gibt/geben kann?
    Irgendwie & -wo sind & bleiben wir doch auch in einer Ehe/Beziehung Individuen, oder?
    Fazit:
    mit 61 bin nun leider schon zu viele Jahre allein…
    ABER lieber Geliebte sein als gar keine Beziehung… vielleicht kommt SIE ja noch…

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